Aprilia Pegaso 650 ML
Ein "neues Pferd ist im Stall", eine Aprilia Pegaso 650 ML, auch Cube (³) genannt.
Nachdem unser "Kleiner" nun auch richtige Motorräder fahren darf schien dieses Modell gut geeignet für einen Einstieg. 652ccm, 48PS, 200Kg,
sehr handlich und für grosse Leute geeignet.
Viel Spass und gute Fahrt Sohn!
Update:
Die Pegaso ist mittlerweile Geschichte und hat einen neuen Besitzer gefunden. Sie hat, auch mir, viel Spass gemacht.
Einziger Wermutstropfen ist dass sie so ihre Macken hat und viel Pflege benötigt. Aber das Design halte ich nach wie vor für zeitlos schick!
Fazit:
Kräftiger Motor, akzeptables Tourenfahrwerk, sehr bequem, einfach und unproblematisch zu fahren. Bremsen mittelmässig. Nicht zu empfehlen wenn man nicht basteln möchte.
Auffällig: Viele Maschinen werden in Teilen angeboten weil Motor und Vergaser (aufgrund des Alters) Probleme machen und sich eine Reparatur
nicht lohnt.
Falls ich sie nochmal kaufen würde dann die I.E. Version, wegen der Gabel und der Einspritzanlage.
Historie
Die Pegaso ML ist mit ihren 18 Lenzen schon etwas in die Jahre gekommen. Sie wurde damals bei Aprilia parallel zur BMW F 650 gebaut. Ja, nicht jede
BMW ist auch ein "echte" BMW .. Entsprechend gross ist die Verwandschaft zur F 650. Der Motor stammt von Rotax, in der Pegaso
allerdings mit den ursprünglichen 5 Ventilen pro Zylinder, nicht nur 4 wie bei der BMW.
Nach den vorangegangenen GA und MX Modellen ist die ML die dritte Modellpflege diese Modells, das lässt hoffen.
Die Pegaso war damals kein grosser Verkaufserfolg (von der BMW F 650 sollen ca 9 mal soviele verkauft worden sein). Man trifft sie daher auf deutschen
Strassen nur selten.
Änderungen über die Baujahre, manche mit Fragezeichen. Eine detaillierte Modellhistorie habe ich bisher nirgendwo gefunden. Die
teilweise feinen Unterschiede kann man sich nur aus vielen Forumsbeiträgen zusammenlesen.
Pegaso 650 GA:
1992 - 1996
38mm USD-Gabel, Rotax 655 Motor
Pegaso 650 MX:
1996 - 1997
40mm Gabel, andere Bremse, modifizierter Rotax 655 Motor, 39PS
Peagso 650 ML (Cube, ³):
1997 - 2000
Neuer Rahmen, neue Optik, 48/49/35 PS,
auch als Sondermodell Garda
mit Koffern, Hauptständer und verstellbarem Federbein (sonst
Sonderzubehör)
Pegaso 650 IE (RW):
2001 - 2004
Wie vorher aber Einspritzanlage und "normale" RSU Gabel
Pegaso 650 Strada,
Trail, Factory: 2005 - 2009
Komplette Neuentwicklung mit Minarelli 660cm³ Motor (= Yamaha
XT 660)
Laut KBA
gibt es die Rotax-Pegaso in 7 unterschiedlichen Varianten:
Hersteller- schlüssel- nummer |
Typ- schlüssel- nummer |
Hersteller- Klartext |
Handelsname | Zuteilungs- datum der Typschlüssel- nummer |
Nenn- leistung in kW |
Max. Hubraum in cm |
Max. Gesamt- masse |
4123 | 105 | APRILIA | PEGASO 650 MX | 01.12.1995 | 29 | 652 | 366 |
4123 | 109 | APRILIA | PEGASO 650 ML | 01.07.1996 | 36 | 652 | 380 |
4123 | 110 | APRILIA | PEGASO 650 ML | 01.07.1996 | 25 | 652 | 380 |
4123 | 113 | APRILIA | PEGASO 650 ML | 01.12.1996 | 35 | 652 | 380 |
4123 | 144 | APRILIA | PEGASO 650 IE | 01.09.2000 | 36 | 652 | 383 |
4123 | 145 | APRILIA | PEGASO 650 IE | 01.09.2000 | 25 | 652 | 383 |
4123 | 163 | APRILIA | PEGASO 650 IE | 01.05.2002 | 35 | 652 | 383 |
Speziell die ML existiert daher in mindestens 3 unterschiedlichen Motorisierungen: 36, 35 und 26 kW.
Die GA-Modelle sind in der KBA-Tabelle garnicht vorhanden. Möglicherweise wurden diese Modelle wegen eines Stich-Datums anders behandelt, oder sie haben über andere Wege ins Land gefunden.
Die 35kW Modelle sind interessant weil sie bereits mit dem mittlerweile existierenden A2-Führerschein bewegt werden dürfen.
Zeitgleich zur Pegaso bei Aprilia gebaut:
BMW F 650 Funduro: 1993 - 2001
Viele Gleichteile, Motor modifiziert mit nur 4 Ventilen und anderen Veränderungen. Vermutlich sind einige Veränderungen auch in die MX und ML Modellen eingeflossen.
BMW F 650 Strada; 1993 - 2001
18 Zoll Vorderrad
Weiteres siehe auch hier.
In der BMW F 650 wurde lange Zeit ('93 - '04) ebenfalls ein Motor von Rotax verbaut (Typ 654). F650 Specs
BMW ist aber bei einigen Details eigene Wege gegangen und die Motoren sind nicht direkt austauschbar.
Schwachstellen
Wie jedes Motorrad hat auch die Pegaso ein paar schwache Stellen auf
die man (auch laut Forumsberichten) besonders achten sollte. Ohne
Sortierung und Vollständigkeit:
- Die Zylinderkopfdichtung
wird öfters mal undicht. Musste ich zum
Glück noch nicht machen. Die Symptome sind: Deutlich erhöhte
Wassertemperaturen im Stand und bei stop-n-go,
Kühlwasserverbrauch, Kühlwasser
im Öl, Steigender Pegel im Ausgleichsbehälter bzw Rausdrücken durch den
Überlauf und schlechtes Anspringen. Nicht notwendigerweise alles
gleichzeitig.
Neben einer neuen Dichtung sollte auch der
Kopf neu geplant werden und die Stehbolzen erneuert werden. Zumindest
sind das die Empfehlungen die man aus diversen Forumsberichten
herauslesen
kann. Ebenso sollte die Wasserpumpe
gründlich kontrolliert werden.
Zur
Vermeidung sollte der Motor gründlich warm gefahren werden. Dabei ist
die Öltemperatur entscheidend. Das Kühlwasser ist wesentlich schneller
warm, es kann also nur zur groben Orientierung dienen. 10 ..15 Minuten
sollten reichen, bei normaler Umgebungstemperatur.
- Der Laderegler
"kocht" manchmal die Batterie. Eigentlich ist
er trickreich angelegt. Der "Sense-Eingang" schaltet ihn aktiv
und misst die anliegende Batteriespannung. Sobald Verbraucher
hinzugeschaltet werden wird die Ladespannung erhöht und kompensiert den
zusätzlichen Verbrauch. Dummerweise kommt diese Rückkopplung
durcheinander falls sich durch Alterung die Leitungsverhältnisse
verschlechtern, was aufgrund des Alters bei allen existierenden Pegasos
der Fall sein dürfte.
Abhilfe ist nicht schwierig. Einfach den Laderegler durch ein modernes
Exemplar ersetzen, beispielsweise wie hier
beschrieben, oder die Regelung mit einem Relais umgehen.
- Die Gabel
wird gerne undicht.
Sehr schade, die USD-Gabel sieht
vielversprechend aus und ist extrem fett dimensioniert.
Die verchromten Gabelrohre scheinen empfindlich gegen Rostbefall zu
sein und die extremen Motorvibrationen, die
sich besonders bei niedrigen Drehzahlen zeigen, werden auch
ihren Teil beitragen.
Also Dichtringe wechseln, die Standrohre evtl. mit (passendem)
Schmirgelpapier bearbeiten und Gabelentlüfter montieren.
Ich würde davon ausgehen dass diese Arbeit alle 5 ..
10tKm wiederholt werden muss.
- Die Tankentlüftung
verstopft. Als Folge kann Regenwasser nicht
ablaufen und kommt im Extremfall in den Tank. Nicht gut. Abhilfe ist
simpel.
Links neben dem Benzinhahn sitzt der Stutzen der
Entlüftung, mit einem schwarzen Gummischlauch. Der Stutzen ist
aus
Alu und korrodiert im Inneren leicht und schnell, das verschliesst die
Öffnung. Einfach mit einem passenden Bohrer wieder freimachen.
- Relativ hoher Benzinverbrauch.
Mit 6 .. 7 Litern liegt er locker in
der Gegend meiner Fazer (und die hat 30 Kilo mehr zu schleppen und 4
Zylinder und 90PS mehr ..). Da scheinen wohl die Vergaser nicht so ganz
optimal abgestimmt zu sein. Vielleicht finde ich ja irgendwann mal eine
Anleitung wie man das verbessern kann.
- Vergaserprobleme
ziehen sich wie ein roter Faden durch die Foren. Die Düsen verstopfen,
besonders bei langer Standzeit, und die diversen Dichtringe versagen.
Man kann die Vergaser, z.B. bei Topham, grundüberholen lassen. Nicht
ganz billig, erspart aber viel Frust.
- Öl/Wasserverlust
an der Entlüftungsbohrung der Wasserpumpe. Die Wasserpumpe wird von
einer Welle angetrieben die aus dem Getriebe kommt. Dort drauf sitzen 2
Dichtungen, eine fürs Öl, die andere fürs Wasser. In der Mitte
dazwischen sitzt die Entlüftungsbohrung. Je nachdem welche Flüssigkeit
austritt ist eine der Dichtungen defekt.
- Das Lenkkopflager
muss
regelmässig neu geschmiert werden. Da der Rahmen als Öl-Reservoir dient
wird es am Lenkkopf sehr warm. Dadurch fliesst das
Fett leicht weg und das Lager läuft trocken und rostet.
- Der Anlasserfreilauf
versagt, starten wird schwierig. Ersatz findet man leicht, man muss
aber auf die feinen Unterschiede zwischen den Baujahren achten.
Fahrhinweise
Trotz Ausgleichswelle schüttelt der Motor alles kräftig durch.
Unterhalb von 3000 U/min sollte man es sich verkneifen den Gashahn
aufzureissen und nur locker dahin rollen. Trotzdem, oder gerade weil,
der Motor dort schon mächtig Drehmoment hat ruckelt er extrem
am
Antriebsstrang. Das mag die kleine Kette garnicht, und der Rest auch
nicht.
Ab 4000 U/min ist alles in Butter und der Motor fühlt sich wohl.
Ölstand prüfen
Da die Pegaso eine Trockensumpfschmierung hat ist das Überprüfen des
Ölstands ein wenig anders als üblich:
- Das Motorrad muss auf einem geraden Untergrund stehen (Hauptständer).
- Den warmen Motor ein Minute im Leerlauf laufen lassen. Dadurch
sammelt sich das Öl im Öltank (oben vor dem Benzintank).
- Den Motor abschalten.
- Den Ölpeilstab herausschrauben (sitzt zwischen Lenkkopf und
Tankdeckel) und säubern.
- Peilstab einstecken ohne festzuschrauben.
- Peilstab herausziehen und kontrollieren. Der Pegel muss zwischen der
Min und Max Markierung liegen.
- Bei Bedarf Öl über die Peilstaböffnung nachschütten.
Öl wechseln
Ölmenge: 2.2 Liter
Filter: z.B. von BMW F 560
Champion COF051
Hiflo HF151
K&N KN151
Mahle OX119
Der
Dichtring für den Ölfilterdeckel (falls undicht) hat die Dimensionen
59,52x2,62mm. Bei z.B. Louis gibt es passende Alternativen mit
den
Dimensionen 60.0 x 2.6 mm (10050238 oder 10050283).
Ölsorte:
Die Betriebsanleitung sagt 5W-40, das Motor-Reparatur-Handbuch 15W-40.
Als Kompromiss habe ich ein 10W-40 teilsynthetisch ausgewählt.
Von
Vollsynthetik wird abgeraten weil die Kupplung Probleme bekommen
könnte. Solche Probleme sind häufig im F650 Forum zu lesen. Dies
scheint aber primär durch schwach gewordene Kupplungsfedern
hervorgerufen zu sein. Wie auch immer, ein nicht-synthetik Öl wird es
auch sehr gut tun solange man regelmässig wechselt.
- Das Motorrad muss auf einem geraden Untergrund stehen (Hauptständer).
- Den warmen Motor ein Minute im Leerlauf laufen lassen.
- Den Motor abschalten.
- Den Ölpeilstab herausschrauben.
- Ölwannenschutz entfernen.
- Die Ölablasschraube vorne am Rahmen (schwer zu finden, unter dem
Krümmer) entfernen und das Öl ablassen.
Ablasschraube wieder einsetzen und festschrauben.
- Die Ablasschraube am tiefsten Punkt der Ölwanne entfernen und das Öl
ablassen. Die Ablasschraube wieder montieren.
Im
Rahmen links vorne sitzt ein Ölfilter-Sieb. Es filtert nur grobe
Partikel. Eine Reinigung ist lt. Handbuch vorgesehen, aber
offensichtlich nicht jedesmal nötig. Zudem soll es öfters Probleme beim
Herausschrauben geben. Wer es dennoch machen will ...
- Auf der linken Rahmenseite den Ölschlauch entfernen (Schlauchschelle)
und den Filter herausschrauben.
- Reinigen und alles wieder montieren
Der Haupt-Ölfilter sitzt rechte Seite, hinter dem Zylinder.
- 2 Schrauben des Deckels entfernen und Ölfilter entnehmen.
- Den (neuen) Dichtring leicht einölen.
- Neuen Ölfilter montieren.
- Alle Ablasschrauben wieder verschliessen (falls nicht schon gemacht)
- 1600ccm Öl in den Öltank einfüllen. Peilstab einschrauben.
- Den Motor 1 Minute laufen lassen.
- Auf Undichtigkeiten kontrollieren.
- Weitere 600ccm Öl schrittweise einfüllen.
- Erneut Ölstand kontrollieren und eventuell nachfüllen bis der
Soll-Stand erreicht ist.
Zündung
In Aprilia und auch in F650 Foren bin ich öfters
auf den Tipp gestossen die Zündkerzenstecker umzubauen. Der Widerstand
der Primärseite der Zündspule + Kerzenstecker + Zündkerze soll nicht
über ~20kOhm liegen. Bei einigen Modellen scheint dies der Fall zu sein
und sie bekommen schleichend Zündungsprobleme. Die Lösung ist den im
Kerzenstecker vorhandenen Widerstand durch eine Metallhülse zu ersetzen.
Dadurch beunruhigt habe ich mal nachgemessen:
- Zündspule: 10kOhm
- Kerzenstecker: 5kOhm
- Kerze: Entstört ("R"-Type), vermutlich 1kOhm
In
Summe also deutlich unter dem "Grenzwert", falls der überhaupt "echt"
ist... Also immer schön darauf achten auf welches Baujahr und welche
Region (US, Europa) sich solche Angaben beziehen und nicht alles blind
glauben.
Fazit
Ich bin gespannt was in Zukunft an Reparaturen auf mich zukommt. Die
Pegaso scheint nicht das problemlose "Draufsetzen und Fahren" Motorrad
zu sein. Für den günstigen Preis kann man aber einiges verschmerzen.
Und die
Sitzposition und Ergonomie ist einfach Spitze. Und die Optik ist, für
meinen Geschmack, zeitlos gut.
Wenn
man auf die Optik keinen so grossen Wert legt mag die BMW F 650 die
bessere Wahl sein. Der simplere Zylinderkopf und die normale Gabel
scheinen weniger Ärger zu machen. Hinzu kommt die grössere Verbreitung.
Ein nicht unerheblicher Teil der Infos die ich hier
zusammengeschrieben habe ist aus Informationssplittern aus dem Internet
zusammengesetzt. Korrekturen und Ergänzungen werden dankbar angenommen
:).
Links und Infos
Modelle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Aprilia_Pegaso_650
Schwester-Modell F650:
http://faq.f650.com/FAQs/
Foren:
http://www.apriliaforum.com/forums/forumdisplay.php?18-Pegaso-650-Cube-and-IE
http://www.apriliaforum.de/pegaso/
Stromlaufplan, selbst gemalt:
Stromlaufplan
Benutzerhandbuch (english):
OwnersManual
Aprilia hat den gleichen(?) Motor in der MOTO 6.5 verbaut. Die MOTO 6.5
ist ein echtes Designer-Stück von Monsieur Starck:
http://www.moto65.de/
http://www.kersling.de/moto/moto65.htm
Diverse:
http://www.apriliapegaso.de/
Ersatzteile:
Was den Motor betrifft kann man vielfach auf die Teile der BMW
F 650 zurückgreifen. Ebenso sollen (?) die Felgen baugleich sein.
Der Luftfilter wurde mit dem Cube-Modell auf eine runde
Bauform geändert, vorher war er flach.
Cube K&N Luftfilter: BM-1298
Choke-Plastikschraube am Vergaser Alternativen:
BS40 Vergaser von KTM
BS33 von Suzuki
BMW Funduro 1994-2001
Vergaser O-Ringe:
N133037 O-Ring 5,0 x 2,8 x 1,1 CO-Schraube,
N138198 O-Ring 13,0 x 10,3 x 1,35, Choke
VM 14/147 O-Ring 8,3 x 5,7 x
1,3 Schwimmer Kaltstartkanal BST (616-00001),
KV/10 O-Ring 10,5 x 7,5 x 1,5 SNV (Schwimmernadelventil)
Bremsbeläge (Beispiel):
Vorne: TRW MCB671SV (Sinter)
Hinten: TRW MCB523 (Normal)
Die
einzelne Scheibe am Vorderrad ist heutzutage ein Witz.
Man kann
nur versuchen das durch möglichst effektive Bremsbeläge zu kompensieren.