Drehzahlmesser
Genaugenommen geht es hier um die MZ RT 125, die SM/SX-Modelle haben keinen Drehzahlmesser. Die Kabelbäume sind aber praktisch identisch und
die CDI ist auch bei den SM/SX für einen Drehzahlmesser vorbereitet.
Platine und Schaltplan
Die Elektronikplatine aus verschiedenen Ansichten. Es ist ein simpler, einseitiger Aufbau ohne Durchkontaktierungen.
Oberseite und gespiegelte Unterseite, zum leichteren Nachverfolgen der Leiterbahnen:
Stromlaufplan und Position der Bauteile:
Funktionsgruppen
Das Drehspulinstrument ist an den Punkten TP1, TP2 und TP3 angeschlossen. Die beiden Spulensymbole (L1 + L2) sollen die Windungen andeuten.
Die Signale auf dem Steckverbinder (rechter Bildrand) sind +12V, Gnd (Masse) und das Drehzahlsignal (0..12V, Rechteck).
Die 12V Versorgung wird umfangreich gefiltert und begrenzt (C5, D4, R9, D3, R8, C4, D2). Daraus abgeleitet wird die 5V-Referenz (D1, R6) für die
virtuelle Masse für die Spulen (TP1). Dadurch kann der Spulenstrom in beide Richtungen getrieben werden, abhängig vom Pegel an V_sine bzw. V_cos.
Das Verhalten und die Skalierung des Zeigers wird durch die Komponenten R1, C1, R2, R3 und C2 eingestellt.
R5, R7 und C3 Filtern das Drehzahl-Eingangssignal bevor es im IC ausgewertet wird.
Bauteile
Die Hauptkomponente ist ein CS289, ein "Air-Core Tachometer Drive Circuit" (im englischen Sprachraum wird ein Drehzahlmesser als "Tachometer" bezeichnet). Dieses IC wandelt die Frequenz des Drehzahlsignals in einen passenden Ausschlag für ein Drehspulinstrument. Das CS289 war zu seiner Zeit ein quasi Industriestandard und wurde in sehr vielen Fahrzeugen verbaut. Es gab/gibt mindestens 2 Klone:
- CS289, Hersteller Sherry Semiconductor, heute ON Semi.
- LM1819, Hersteller National Semiconductor, heute Texas Instruments.
- NTE1670, Hersteller NTE Electronics.
Die sonstigen Bauteile sind kaum einer Erwähnung wert, alles einfachste Standardware.
Kritisch ist allerdings der Kondensator C2, 0.47uF/100V. Er bestimmt die Skalierung der Frequenz/Drehwinkel Umsetzung. Elkos sind eine Bauteiltype die als sehr unstabil gelten und stark altern können. An dieser Einsatzstelle sind sie die falsche Wahl. Besser wäre ein Folien-Typ.
D1 und R6 stabilisieren die 5V für die virtuelle Masse des Drehspulinstruments. R6 scheint öfters ein Problem mit zu hoher Temperatur zu haben. 7V / 120R = 60mA, entspricht 0.42W Verlustleistung. Möglicherweise wäre ein 5V Step-Down Regler an dieser Stelle eine Lösung?
Die Leiterplatte ist von minderer Qualität und besitzt keine Durchkontaktierungen. Die Lötstellen der Bauteile können daher kaum mechanische Kräfte aufnehmen. Entsprechend leicht und häufig kommt es hier zu Schäden durch Vibrationen. Auch die Kontakte des Steckverbinders brechen leicht aus.
Messungen
Die folgenden Bilder zeigen den Spannungsverlauf auf der Platine an den Punkten TP2 und TP3 bezogen auf Masse. Für die Spulen selbst ist
TP1 der Bezugspunkt, seine Spannung liegt bei 4,8V. Um diesen Spannungspunkt herum wechselt daher die Polarität der Spulenströme.
Die Spannungsverläufe sind in erster Näherung sinus-/cosinusförmig, daher auch die Bezeichnungen der Spulen.
Bei einem defekten oder falsch abgeglichenem Drehzahlmesser ist der Spannungsverlauf abweichend. Die Knickpunkte der Spannungen sind nicht
bei den korrekten Drehzahlwerten. 2 Beispiele:
Drehspulinstrument
Im Drehspulinstrument sitzt ein Dauermagnet in einem Magnetfeld dass aus 2 Spulen gebildet wird. Am Dauermagnet ist ein Zeiger befestigt.
Die Spulen sind geometrisch um 90° verdreht angeordnet. Das Verhältniss der Ströme durch die Spulen bestimmt die Ausrichtung der Nadel.
Das CS289-IC erzeugt für jede Eingangsfrequenz (= Drehzahl) ein in Stromstärke und -Richtung passende Paar von Signalen.
Die 4 Anschlüsse der Spulen gehen auf 3 Kontaktpins, 2 Drähte sind zusammengefasst an TP1 (4.8V Referenz).
Die folgenden Bilder zeigen den Zusammenhang zwischen den Spannungen/Strömen durch die Spulen und dem Drehwinkel des Magneten/des Zeigers.
Das erste Bild ist eine Darstellung aus einem IC-Datenblatt. Das zweite ist eine Messung mit 2 Netzteilen.
Eine Besonderheit ist die Spannung Vz (~4.5V). Dies ist der Referenzpegel für die Spannungen, der virtuelle Massebezug für die Spulen.
Die Stromrichtung kann dadurch umgedreht werden ohne dass eine negative Versorgungsspannung notwendig wird.
Drehspulinstrument testen und abgleichen
Das Drehspulinstrument selbst (ohne montierte Platine!) kann mit Hilfe von zwei 5V-Gleichspannungsnetzteilen getestet werden. Wichtig ist dass beide Spannungen isoliert voneinander
sind, also keine gemeinsame Masse haben, und auf genau den gleichen Spannungswert eingestellt sind.
Spannung 1 (Signalname "COSINUS"): zwischen TP2 und TP1 anlegen
Spannung 2 (Signalname "SINUS"): zwischen TP3 und TP1 anlegen
TP1 (Vref) ist der gemeinsame Massepunkt für beide Spannungen.
In Abhängigkeit von der Höhe und dem Vorzeichen der beiden Spannungen kann man das vorher gezeigte Diagramm abfahren.
Einige Beispiele:
Spannung 1 = +5.0V
Spannung 2 = +5.0V
-> Zeiger bei 2000 U/min
Spannung 1 = -5.0V
Spannung 2 = 0.0V
-> Zeiger bei 7500 U/min
Spannung 1 = -5.0V
Spannung 2 = -5.0V
-> Zeiger bei 9500 U/min (den Zeiger auf die Position "schubsen")
Diese Hilfsspannungs-Methode kann man auch dazu benutzen den Zeiger (wieder) auf die korrekte Absolutposition aufzusetzen.
In welche Richtung der Zeiger schwenkt hängt von seiner vorherigen Position ab. Vom Nullpunkt beginnend können nur Positionen bis 8000
direkt erreicht werden. Bei Werten darüber muss der Zeiger vorab per Hand über die 8000er Position geschoben werden.
Der Zeiger wird durch einen Federmechanismus leicht vorgespannt. Er dreht sich im spannungslosen Zustand zum Nullpunkt und wird dort durch
den Anschlag gehalten.
Abgleich der Skalierung
Für den Abgleich wird ein Signalgenerator benötigt der die Drehzahlimpulse der CDI emuliert:
- 1 Impuls pro Motorumdrehung = 16.66Hz pro 1000 U/min
- 12V peak-peak, 50% duty-cyle
Den Signalgenerator und die Spannungsversorgung (12 V und Masse) mit der Elektronikplatine verbinden.
Die mechanische Skalierung des Drehwinkels ist fest durch die Bedruckung vorgegeben. Die Positionen von 0 U/min
und 8000 U/min sind genau um 180° versetzt angeordnet, entspricht 22.5° / 1000 U/min. Die von der Elektronik
erzeugten Signale müssen darauf angepasst werden.
-> Im Wechsel 2 Signale anlegen die einem Drehwinkel von 180° entsprechen, z.B. 16.6Hz (=1000 U/min) und 150Hz
(=9000 U/min). Das Poti R3 auf der Elektronikplatine verdrehen bis der Zeigerausschlag passend ist.
Den Offset einstellen (falls nicht bereits beim Testen des Drehspulinstruments erfolgt):
-> ein Drehzahlsignal von 33.3Hz anlegen (=2000 U/min)
-> den Zeiger abheben und an der 2000er Position wieder aufsetzen
Fertig.
Zur Kontrolle ein paar Drehzahlwerte anfahren (z.B. 12000 U/min = 199Hz).
Elektronik Nachbau
Die meisten Platinen, die ich auf dem Basteltisch hatte, waren durch Vibrationen extrem beschädigt. Man kann sowas
zwar elektrisch halbwegs retten, aber nicht mechanisch. Als saubere und dauerhafte Lösung habe ich deshalb eine
1:1 Ersatzplatine entworfen und aufgebaut.
Die Platine entspricht den heutigen Fertigungsstandards (1.6mm FR4, zweiseitig, durchkontaktiert,.. ) und ist
dadurch bereits deutlich robuster als das Original. Die Bauteile sind neu und "frisch" und nicht oxidiert
und daher sauber verlötbar. Der Schaltplan ist nur minimal verändert und folgt den Hersteller-Applikationen.
Vom Original werden das Haupt-IC, der Steckverbinder und das Poti weiter verwendet.
Wer Bedarf kann sich gerne bei mir melden.
Reparaturen
Einige typische Bilder von Defekten und Reparaturen.
Viele Instrumente haben gleichzeitig auch Probleme mit den Befestigungsschrauben und/oder dem Drehspulinstrument.
Bevor man eine neue Platine einbaut sollte man prüfen ob das Instrument intakt ist.
Von der alten Platine müssen 3 Bauteile wiederverwendet werden:
- das 14-polige Haupt-IC CS289 in der Mitte der Platine (wird schon lange nicht mehr hergestellt)
- der 3-polige Steckverbinder (Type unbekannt, Stromversorgung und Signaleingang)
- das 470k-Ohm Poti (weil ich vergessen hatte es mitzubestellen..)
Einige Platinen haben bereits die ersten Reparaturversuche hinter sich. Und manchmal wurde z.B. der Steckverbinder
bereits mit Epoxi neu fixiert. Der Ausbau fällt dann etwas "brutaler" aus..:
Die Anzeigenadel sollte man nur abnehmen wenn es wirklich notwendig ist. Das Wiederaufsetzen in der korrekten
Position ist nicht einfach (siehe oben) und es besteht die erhebliche Gefahr dass sie zerbricht. Man bekommt sie
am sichersten
mit Hilfe von 2 Teelöffeln abgehebelt.
Das Drehspulinstrument sitzt unter der Drehzahl-Scheibe. Es wird mechanisch durch die 3 Befestigungsbolzen der
Platine gehalten. Die Bolzen sind gleichzeitig der elektrische Kontakt zu den Wicklungen. Die feinen Drähte
sind am oberen Ende angelötet.
Die Befestigungsbolzen bekommen gerne mal Probleme mit Korrosion und sitzen dann fest. Wenn die
Gewinde-Bolzen-Überwurfmutter dann trotzdem gedreht wird reissen die feinen Drähte ab. Mit viel Glück
gucken die Enden der Drähte noch aus dem Wicklungspaket heraus und man kann sie wieder verlängern.
Eine gebrochene Rückholfeder ist auch nicht selten. Und ihre korrekte Ausrichtung eine mühsame Prozedur..
Die speziellen Befestigungsbolzen kann man durch Gewindestangen (Messing, M4) ersetzen.
Auch wenn all diese Reparaturen erfolgreich waren hat man immer noch keine Garantie für einwandfreie Funktion.
Die Nadellager können einen Defekt haben und klemmen. Sie sitzen unerreichbar im Inneren der Spulenpakete..
Links
Auf einer Fan-Seite des
Pontiac Fiero
wird über die Reparatur und Anpassung des Drehzahlmessers berichtet. In diesem ist ein NTE1670 verbaut.
Die Drehzahlmesser in einigen
Ducatis
sind sehr ähnlich zu dem der MZ aufgebaut. In einem anderen
Ducati-Forum
wird eine Reparatur beschrieben.
Sonstiges
Vielen Dank an Stefan für die Unterstützung und die Bereitstellung der Teile :)