Die Steuerkette
Die Steuerkette verbindet die Nockenwellen mit der Kurbelwelle und synchronisiert die Drehungen.
Wegen des 4-Takt-Prinzips drehen sich die Nockenwellen mit der halben Geschwindigkeit der Kurbelwelle. Ein automatischer Kettenspanner
gleicht Abnutzungen aus und sorgt dafür dass die Kette immer korrekt gespannt und die Steuerzeiten stabil bleiben.
Bei den SM/SX/RT125-MZ-Motoren ist die Steuerkette eine bekannte Schwachstelle. Sie verschleisst relativ schnell und längt sich dabei
stark. Bei zu grosser Längung passiert es dann dass ein nahe gelegener Ölkanal angeschliffen und im Extremfall
zerstört wird. Als Folge bricht der Öldruck zusammen und der Motor wird wegen fehlender Schmierung zerstört.
Kontrolle
Eine erste Kontrolle wird nach 12TKm empfohlen, danach alle 6TKm (siehe
Service Informationen von MZ zur Steuerkette). Dazu muss der rechte Motordeckel demontiert werden. Vorher das
Motoröl ablassen oder das Motorrad während der Demontage auf die Seite legen. Die Dichtung des Motordeckels wird bei der
Demontage mit hoher Wahrscheinlichkeit zerbrechen, daher vorher(!) eine neue bestellen.
Die Bilder zeigen was sich hinter dem Deckel befindet. Bei genauer Betrachtung der Ölkanäle sieht man die Schleifspuren die die alte Steuerkette dort
bereits hinterlassen hat (eine geringe, definierte Ausfräsung soll allerdings ab Werk vorhanden sein). Mit zunehmendem
Verschleiss der Kette wird sie durch den Kettenspanner und die Gleitschiene gegen den Ölkanal gedrückt, bzw "schlägt" bis dorthin,
und beginnt dort zu "sägen". Sobald der Kanal eine Öffnung aufweisst wird der normale Ölkreislauf unterbrochen und der Motor bekommt keine
Schmierung mehr. Die Öl-Kontrolleuchte beginnt zu leuchten. Bis zu einem Motorschaden ist es dann nicht mehr weit.
Der minimale Abstand zum Ölkanal darf 1.8 Millimeter nicht unterschreiten, andernfalls muss die Kette erneuert werden. Die
Kette im Bild ist bereits erneuert und hat den korrekten/maximalen Abstand zum Ölkanal.
Steuerkette wechseln
Um die Kette zu wechseln müssen der Reihe nach einige Dinge demontiert werden. Die Arbeiten sind nicht ganz trivial und nicht für absolute
Anfänger geeignet. Die folgende Beschreibung ist daher recht grob gehalten und erwähnt keine Allgemeinheiten (z.B. Dichtflächen
nicht zerkratzen). Oft ist es auch hilfreich von jedem Zwischenschritt ein Foto zu machen.
Vorbereitung
Teile bestellen:
- Steuerkette: Gibt es in verschiedenen Qualitätsstufen. Nach Bauchgefühl habe ich
mich für eine von Wiseco entschieden.
- Dichtungen: Eine Dichtung für den Motordeckel und eine für
den Kettenspanner.
- Werkzeug: Arretierwerkzeug für die Kupplung und Arretierschraube für die
Kurbelwelle. Insbesondere das Arretierwerkzeug für die Kupplung würde ich dringend empfehlen zu kaufen!
- Nockenwellenräder: Kann man wechseln, muss man aber nicht. Und das Rädchen auf der Kurbelwelle z.B.
bekommt man garnicht gewechselt. Und die MZ Service-Information schreibt dies auch nicht vor.
- Sonstiges: Man könnte den Kettenwechsel mit einer Ventilspielkontrolle/Einstellung kombinieren. Dazu sind sog.
Shims oder komplette Tassenstössel notwendig.
Die folgenden Teile sollten demontiert werden um alles bequem zu erreichen:
- Sitzbank und Tank
- Alle Verkleidungsteile
- Auspuff und Krümmer
- Zündkerze und Zylinderkopfdeckel
Ein Montageständer ist hilfreich, es geht aber auch ohne. Angesichts des niedrigen Preises aber trotzdem eine lohnenswerte Investition.
Und los geht's
Die 5 Schrauben im Kupplungsdeckel entfernen und die Beläge entnehmen. Dabei die Reihenfolge der Scheiben für den Zusammenbau merken
oder direkt als Paket entnehmen.
Den Motor durch Drehen (im Uhrzeigersinn) an der Kurbelwellen-Mutter in den OT bringen, ein Schraubenzieher in der Zündkerzenöffnung dient als
OT-Anzeiger. Es gibt 2 unterschiedliche OT Positionen. Die OT-Position wählen bei der die Nocken (der Nockenwelle) in entgegengesetzte
Richtungen zeigen, die Bohrungen in den Nockenwellen schliessen dabei mit der Dichtfläche ab (siehe Bild unten).
Zum Blockieren der Kurbelwelle benötigt man ein spezielles Werkzeug. Dieses wird in die Öffnung an der Vorderseite des Motorblocks in Höhe der
Motorhalterung gedreht, die Öffnung ist durch eine kleine Schraube verschlossen. Im OT fluppt das Werkzeug genau in eine Vertiefung auf der Kurbelwelle.
Man kann dieses Werkzeug auch leicht selbst herstellen, eine M8x50 Schraube mit angeschliffener Spitze ist ausreichend.
Nun kommt der schwierigste Teil. Die Mutter des Kupplungskorbs muss entfernt werden, dazu vorher das Sicherungsblech mit einem Meissel
flachdrücken. Die beste und schonenste Methode ist ein Blockierwerkzeug zu verwenden. Man bekommt es für relativ wenig Geld
z.B. bei Faber oder Schuller. Zur Not kann man es auch aus alten Kupplungslamellen und -Scheiben selbst bauen, durchbohren und
zusammenschrauben. Alles andere ist problematisch oder sogar gefährlich. Den oft gegebenen Tipp, einen Schraubenzieher in
die Getrieberäder zu stecken um sie zu blockieren, würde ich auf keinen Fall empfehlen, weil die Zahnflanken extrem leiden.
Weitere mögliche Methoden zum Blockieren:
- Den 1ten Gang einlegen und die Fussbremse treten. Je nachdem wie fest die Schraube sitzt werden dabei allerdings hohe Kräfte ins
Getriebe übertragen. Keine Ahnung ob das schädlich ist.
- Einen Schlagschrauber verwenden. Solche mit Pressluft sollten okay sein. Bei den mechanischen Varianten (wo man mit dem Hammer drauhaut) sollte man
bedenken dass die Lager ebenfalls einen ordentlichen Schlag bekommen.
- Ein gelochtes Blech aus dem Baumarkt. Hat bei mir gut funktioniert. Es besteht aber die Gefahr dass man sich die Befestigungsbolzen abreisst.
Deshalb nur sehr bedingt zu empfehlen. Und nur wenn man alle 5 Befestigungen benutzt.
Die Mutter und das Ritzel auf der Kurbelwelle entfernen. Die Mutter hat Linksgewinde!
Kupplungskorb und Schwingungsdämpfer gleichzeitig abnehmen. Dabei auf die richtige Reihenfolge der diversen Scheiben
beim Abziehen des Kupplungskorbs achten! Beim Entnehmen der Kupplungs-Druckstange (am besten alles drin lassen) auf die dahinter
befindliche kleine Kugel achten!
Den Schwingungsdämpfer (Mutter mit rotem Punkt) nicht zerlegen!
Das Ritzel der Ölpumpe entfernen, dazu den Sprengring und die (3) Distanzscheiben entfernen. Achtung!
Unterhalb des Ritzels sitzt ein kleiner Splint der nicht verloren gehen darf! Die Ölpumpe wird sonst nicht angetrieben!
Rechts oberhalb des Ritzels sitzen eine kleine Feder mit Bolzen und Kugel, sie sind für
den korrekten Öldruck wichtig! Nicht verlieren!
Als nächstes muss der Steuerkettenspanner ausgebaut werden. Zuerst dessen Spannschraube lösen und die Feder mit dem kleinen Bolzen entnehmen. Dann die 2
Befestigungsschrauben lösen und den Spanner komplett entnehmen. Der Spanner hat eine Rastung die den Stössel nur in eine Richtung wandern
lässt. Die Blockierung lösen (Feder anheben) und den Stössel auf die Anfangsposition zurückschieben. Dies ist wichtig für den späteren Zusammenbau!
Im Zylinderkopf die Gleitschiene demontieren. Die anderen Muttern müssen nicht demontiert werden. Die Steuerkette von den
Nockenwellenrädern abheben und nach unten in den Kanal fallen lassen.
Die Steuerkette zu entnehmen ist ein bischen trickreich aber ohne Gewalt und Quetschen machbar. Sie passt gerade so zwischen Ölkanal und
Dichtfläche hindurch.
Hier ein Vergleich zwischen alter und neuer Steuerkette. Der Längenunterschied beträgt nur wenige Millimeter, bewirkt aber dass der
Ölkanal "angesägt" wird.
Beim Auflegen der neuen Kette müssen die Steuerzeiten wieder korrekt eingestellt werden. Die Nockenwellen haben zu diesem Zweck jeweils eine
Kontrollbohrung (siehe Bild, Ansicht von linker Fahrzeugseite). Wenn sich die Kurbelwelle im OT
befindet müssen die unteren Tangenten der Bohrungen genau auf Höhe der Dichtfläche liegen. Genau so und nicht anders!
Die in Fahrtrichtung liegende Seite der Steuerkette muss dabei gespannt sein, die andere Seite wird vom Kettenspanner gespannt
(provisorisch mit der Hand drücken). Falls es nicht passt die Kette um einen Zahn versetzt neu auflegen.
Die Einstellung der Steuerzeiten ist sehr sorgfältig durchzuführen und zu
prüfen! Bei falsch aufgelegter Kette können sich im schlimmsten Fall Ventile und Kolben im OT berühren und
verbiegen! In einfachen Fällen sind es nur Startschwierigkeiten und fehlende Leistung!
Die Montage erfolgt in umgekehrter Reihenfolge.
Ein kurze Check-Liste:
- Splint unter dem Ölpumpenritzel montiert?
- Mutter im Kupplungskorb fest und gesichert?
- Kupplungsdruckstange incl. Kugel montiert?
- Feder und Kugel des Öldruckreglers montiert?
- Alle Unterlegscheiben an den richtigen Positionen?
- Kettenspanner montieren, zuerst den Grundkörper mit dem Stössel, dann die Spannschraube mit Feder und Metallbolzen. Den
Kettenspanner vorher unbedingt entriegeln und zurückschieben, sonst wird beim Anschrauben die
Gleitschiene zerdrückt und die Kette bekommt eine viel zu hohe Spannung!
Zum Abschluss das Blockierwerkzeug der Kurbelwelle entfernen und den Motor mit einem Schraubenschlüssel auf der Kurbelwelle durchdrehen.
Dabei nochmals die Steuerzeiten kontrollieren und auf widerstandsfreien Lauf der Kurbelwelle achten.
Ventilspiel prüfen
Da der Motor gerade offen ist kann man die Gelegenheit nutzen um das Ventilspiel zu kontrollieren. Praktischerweise kann man die Kurbelwelle an der
Mutter durchdrehen und die Nocken so in die jeweils korrekte Position zum Ausmessen bringen
(senkrecht zum Tassenstössel). Es gibt 2 unterschiedliche Motortypen.
Motor mit separaten Distanzscheiben (vor ca. Bj 2004)
Einlass: 0.09 - 0.11mm
Auslass: 0.12 - 0.14mm
Motor mit Ventiltassen (ab ca. Bj 2004, Motornummer >~12500)
Einlass: 0.10 - 0.15mm
Auslass: 0.15 - 0.20mm
Die Dicke der verbauten Ventilplättchen ist normalerweise auf einem Aufkleber unter der Sitzbank notiert. Anhand des gemessenen
Ventilspiels muss die notwendige Ventilplättchendicke berechnet werden. Zum Austauschen die jeweilige Nockenwelle ausbauen und das
Ventilplättchen (oder die komplette Ventiltasse) austauschen.
Die Shims/Tassenstössel unbedingt nachmessen, auch die neu gekauften! Mir wurden, mehr als einmal, Shims mit falscher Aufschrift geliefert!
Und sonst ?
Korrekturen, Bilder und Verbesserungen sind willkommen.