EPS Servolenkung Probleme
Der Wagen hat eine elektrische Lenkunterstützung die EPS genannt wird
(Electronic Power Steering).
Im Prinzip ein pfiffiges und modernes Konzept dass ohne die früher
übliche Hydraulik arbeitet. Leider hat ein Bauteil ein Qualitätsproblem
wodurch sehr häufig Funktionsprobleme auftreten. Es ist der
Drehmomentgeber auf der Lenksäule (ich weiss nicht ob das die
offizielle Bezeichung ist, aber ich nenne es einfach mal so).
Er detektiert ob das Lenkrad gedreht wird und wie stark. Über
eine Steuerelektronik und einen Servomotor wird dann diese Bewegung
unterstützt.
Der Sensor kann sich verstellen und ausleiern. Als Folge arbeitet die
Servolenkung nur schlecht und ungleichmässig.
Die einfachste Lösung wäre den Sensor gegen ein neues, bessere Exemplar
auszutauschen. Oder aber den Sensor neu zu justieren. Beides ist leider
unpraktikabel. Die Sensoren sind nicht einzeln sondern nur in Verbindung mit
einer extrem teuren, kompletten Lenksäule zu bekommen. Und man muss das
gesamte Armaturenbrett zerlegen um dort dran arbeiten zu
können.
Aus zusammengesuchten Informationen und ein
paar Messungen habe ich versucht mir ein Bild zu machen wie
dieser
Sensor und die Regelung funktionieren.
Kernstück sind 2
Potentiometer und eine "Mechanik mit Federn" die den Drehmomentgeber
bilden. Sobald die Position des Lenkrads sich ändert wird damit
gemessen mit welcher Kraft es gedreht wird. Aufgrund von Alterung oder
Qualitätsmängeln verändern sich die Ruhespannungen und die Regelung
arbeitet nicht mehr optimal. Dies äussert sich z.B. durch erhöhte
Lenkkräfte, ungleichmässige Lenkunterstützung beim Einschlagen oder
hakeln.
EPS Prinzip
Im Ruhezustand liefern die
beiden Potentiometer eine Ausgangsspannung von 2.5V. Sie werden aus
einer 5V-Spannungsquelle versorgt die im Steuergerät sitzt. Die beiden
Potentiometer arbeiten gegenläufig, Spannung 1 steigt an während
gleichzeitig Spannung 2 absinkt. Bei umgekehrter Drehrichtung
entsprechend vertauscht. Mehr Drehmoment am Lenkrad bedeutet höhere
Spannungsdifferenz.
Sobald die 2.5V Ruhespannungen deutlich abweichen bekommt
das Steuergerät Probleme. Die Ruheposition wird nicht eindeutig erkannt
und die Servokraft falsch berechnet .
Die Offsetverschiebung muss nicht an beiden Potis gleich gross
sein. Desweiteren kann sie durch mechanisches Spiel schwanken. Aber
diese zusätzlichen Schwankungen scheinen klein genug zu sein und es
reicht den mittleren Offset zu kompensieren.
Meine gemessenen Spannungen lagen bei 2.30 bzw 2.34 Volt.
Problemlösung 1
Im Internet findet man häufig ein sog. "EPS Reparatur-Set". Es besteht aus
2 zusätzlichen Potentiometern die parallel zu denen vom
Drehmomentsensor angeschlossen werden. Damit wird die Ruhespannung
einfach wieder auf
die gewünschten 2.5V gezogen und alles soll wieder gut werden.
Habe ich ausprobiert, funktioniert leider nicht bei mir :(
Und ist auch theoretisch ziemlicher Murks.
Als Ergebniss
war die Lenkunterstützung fast gleich Null. Immerhin verhielt
sich
die Lenkung aber konstant (schlecht) über den ganzen Lenkbereich. Ich
vermute dass durch die zusätzlichen Potis die resultierenden Kennlinien
zu flach wurden und folglich die Servounterstützung praktisch nicht vorhanden ist.
Für meinen Fehlerfall also keine Lösung. Bei kleineren
Spannungsabweichungen mag es ja irgendwie funktionieren, aber eigentlich rausgeschmissenes Geld.
Problemlösung 2
Als Elektroniker denkt man beim Wort "Spannungs-Offset" natürlich
sofort daran das ganze mit etwas Elektronik zu lösen. "Mal eben eine
kleine Schaltung" mit einem Operationsverstärker aufbauen und fertig.
Und so hat es dann auch tatsächlich mit Erfolg geklappt :) Was mich
umso mehr freut weil häufig solche Theorie-nach-Praxis
Umsetzungen nicht funktionieren weil man das System nicht richtig
verstanden hat.
Hier ein Bild der aufgebauten Platine.
Die Schaltung ist ein simpler "nichtinvertierender Addierer"
mit Doppel-Operationsverstärkern. Die Schaltung ist in jedem
besseren Schaltungsbuch zu finden. Auf das Eingangssignal wird
eine
kleine, einstellbare Offsetspannung addiert. Da der Spannungshub der
Potis unverändert bleibt (keine Verstärkung) ist auch die Regelung, und somit die Stärke
der Lenkunterstützung, unverändert.
Das ganze ist doppelt vorhanden, für jeden Kanal separat. Die Schaltung wird in die
Poti-Leitungen eingeschleift.
Die OPamps sollten Rail-Rail-Typen sein und bei 5V vernünftig arbeiten
(z.B. TS912). Die Diode verringert die Messpannung zusätzlich künstlich
um auch ohne negative Spannung am Poti ein wenig "subtrahieren" zu
können. Wird nur benötigt falls die Ruhespannungen oberhalb von 2.5V
liegen.
Einbau
Das Steuergerät für's EPS sitzt unterhalb der Sicherungen (bei
anderen Modelljahren ist das möglicherweise abweichend). Es ist mit 2
Schrauben befestigt (Pfeile).
Am Steuergerät befinden sich 4 Steckverbinder. Der kleine schwarze Stecker
ganz rechts geht zum Drehmomentgeber. Dessen Kabel sind extrem kurz
gehalten und es ist dort unten um Fussraum sehr schwierig irgendwas
sauber und zuverlässig anzuschliessen.
Sehr viel einfacher ist es die Verdrahtung direkt im Steuergerät zu machen. Das Gehäuse ist einfach zu
öffnen, die Platine kann nach Lösen von ein paar Schrauben entnommen
werden. Auf der Unterseite der Platine sind die gesuchten Signale leicht zugänglich:
Die Leiterbahnen zu den Mittelabgriffen der Potis (Gelb-Blau und
Hellgrün-Dunkelgrün) werden unterbrochen und mit der
"Offset-Platine" verbunden. Die 5V Versorgungsspannung der Potis liegt an Pin 1 und die
Masse an Pin 4. Sie werden auch benutzt um die Korrektur-Elektronik zu versorgen, ihr Strombedarf ist minimal.
Nun alles provisorisch zusammenstecken, die Zündung einschalten und die
Spannungen am Ausgang auf genau 2.5V einstellen. Fertig!
Die Elektronik verschwindet in einem kleinen Plastik-Kästchen welches an
der Rückseite mit einem Kabelbinder befestigt wird. Sauber und rüttelfest.
Integrierte Platine
Um die ganze Sache noch einfacher und eleganter zu machen
habe ich eine kleine Platine gebaut. Sie findet ihren Platz im Inneren
des Steuergeräts. Zusätzlich enthält sie einen einfachen
Spannungsindikator. Die LEDs beginnen zu leuchten wenn die 2.5V am Ausgang
kippt. Damit kann man die Schaltung im eingebauten Zustand ohne die Hilfe von Messgeräten abgleichen.
Resultat
Die Servolenkung arbeitet wieder ausgezeichnet :)
Ich denke dass der "ausgelutschte" Geber durch diesen einfachen
Trick nicht die Qualität und Dauerhaftigkeit eines Neuteils erreicht.
Aber der Unterschied zu vorher ist gewaltig und in Anbetracht des
geringen Aufwands sehr zu empfehlen.
Natürlich muss man bedenken dass hier an einem sicherheitsrelevantem Bauteil
herumgebastelt wird und man sollte sorgfältig arbeiten.
Hinsichtlich Fehlfunktionen habe ich nur geringe Sorge. Es
ist nur eine Lenkunterstützung
die man mit zusätzlicher Kraft jederzeit "überstimmen" kann. Und
im vorherigen Zustand musste ja schon genau das
gemacht werden. Viel schlimmer kann es nicht werden.